11. Juli 2023

Steuerrecht #5: Steuerfreier Kapitalgewinn – oder doch nicht?

Wird eine Weinsammlung mit edlen Tropfen, eine wertvolle Oldtimersammlung, Kunst, Wertschriften oder auch eine Liegenschaft verkauft – immer dann, wenn hohe Kapitalgewinne erzielt werden, schaut der Fiskus mit Argusaugen hin.

Denn grundsätzlich sind Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen steuerfrei (Art. 16 Abs. 3 DBG). Gemäss Bundesgericht handelt es sich hierbei jedoch um eine Systemanomalie (BGer 2C_643/2021 vom 13. Oktober 2022, E. 2.1.):
„Der Einkommenssteuer unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte (Art. 16 Abs. 1 DBG). Von der Besteuerung ausgenommen sind die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen (Art. 16 Abs. 3 DBG). Mit Blick auf den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) und das diesen konkretisierende Reinvermögenszugangsprinzip stellt die Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne eine systemwidrige Ausnahme dar. Im System einer allgemeinen Einkommenssteuer sind Ausnahmen restriktiv zu handhaben (BGE 143 II 402 E. 5.3; 142 II 197 E. 5.6). Nach Art. 18 Abs. 1 DBG sind alle Einkünfte aus einem Handels- und Gewerbebetrieb, aus einem freien Beruf sowie aus jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar. Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit ist dabei praxisgemäss weit zu verstehen: Gewinne aus einer Tätigkeit, die über die schlichte Verwaltung von Privatvermögen hinausgeht, stellen steuerbares Einkommen dar (BGE 125 II 113 E. 5d und 5e; Urteil 2C18/2018 vom 18. Juni 2018 E. 3.1). Dazu zählen nach Art. 18 Abs. 2 DBG auch alle Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen. Für eine selbständige Erwerbstätigkeit kennzeichnend ist die Tätigkeit einer natürlichen Person, mit der diese auf eigenes Risiko, unter Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, in einer von ihr frei gewählten Arbeitsorganisation, dauernd oder vorübergehend, haupt- oder nebenberuflich, in jedem Fall aber mit der Absicht der Gewinnerzielung am Wirtschaftsverkehr teilnimmt. Untergeordnete Anhaltspunkte sind etwa die Beschäftigung von Personal, das Ausmass der Investitionen, ein vielfältiger wechselnder Kundenstamm und das Vorliegen eigener Geschäftsräumlichkeiten. Die Prüfung ist von Fall zu Fall aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Die einzelnen Gesichtspunkte dürfen dabei nicht isoliert betrachtet werden und können auch in unterschiedlicher Intensität auftreten (vgl. zum Ganzen BGE 138 II 251 E. 2.4.2; 125 II 113 E. 5b, je mit Hinweisen; Urteile 2C533/2019 vom 9. März 2021 E. 3.2; 2C1021/2019 vom 30. Oktober 2020 E. 5.2; 2C298/2019 vom 18. August 2020 E. 3.2; 2C_890/2018 vom 18. September 2019 E. 5.1).“

Die Umqualifikation eines vermeintlich steuerfreien Kapitalgewinnes in Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit hat weitreichende Folgen: Nebst der Steuerbelastung wird der Kapitalgewinn der AHV-Pflicht unterstellt.

Damit Sie keine bösen Überraschungen erleben, unterstützen wir Sie gerne.

 
Tobias Ehrensberger

Leiter Standort Winterthur
Dipl. Treuhandexperte, LL.M. UZH in International Tax Law