Die Steuerlandschaft ist dynamisch und stetig im Fluss. Steuergesetze werden regelmässig angepasst, um den sich ändernden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Dies kann für Unternehmen und Einzelpersonen eine Herausforderung darstellen, um den Überblick zu behalten. In unserem Bestreben, unsere Kunden stets auf dem Laufenden zu halten, möchten wir Sie auf zwei wichtige Neuerungen aufmerksam machen.
Um dem internationalen Steuerwettbewerb und das damit zusammenhängende «Race to the Bottom» der Gewinnsteuersätze einzudämmen, hat die OECD und die G20 ein Projekt lanciert, welches aus zwei Säulen besteht. Die erste Säule betrifft die Besteuerung im Marktstaat1 und die zweite Säule die Einführung einer Mindestbesteuerung von 15 % für international tätige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Mio. Euro. Aufgrund dessen, dass die Schweiz bzw. diverse Kantone – so auch der Kanton Schaffhausen – Gewinnsteuersätze von unter 15 % vorsahen, musste der Bundesrat reagieren. Die per 1. Januar 2024 in Kraft tretende Mindestbesteuerungsverordnung2 regelt die schweizerische3 Ergänzungssteue. Bei der Ergänzungssteuer handelt es sich um eine zusätzliche direkte Bundessteuer, für deren Vollzug die Kantone verantwortlich sind5. Für die Berechnung der effektiven Steuerbelastung6 massgeblich sind die konsolidierten Geschäftsergebnisse aller in der Schweiz ansässigen Konzerneinheiten7. Für die Veranlagung ist jeweils der Kanton zuständig, in welchem die oberste inländische Geschäftseinheit ansässig ist.8
Als Alternative zur Ergänzungssteuer können die Kantone ihre Gewinnsteuersätze erhöhen, damit die Steuerbelastung im Kanton über 15% steigt9. Durch eine pauschale Steuersatzerhöhung sind jedoch auch die kleineren und mittelgrossen Unternehmen betroffen, welche weniger als 750 Mio. Jahresumsatz erwirtschaften. Um dies zu verhindern, hat der Kanton Schaffhausen bzw. der Regierungsrat eine Teilrevision des Kantonalen Steuergesetzes verabschiedet10, welche ab 5 Mio. Jahresgewinn einen mehrstufigen Gewinnsteuertarif vorsieht. Damit soll sichergestellt werden, dass die überwiegende Mehrheit der im Kanton Schaffhausen ansässigen Kapitalgesellschaften und Genossenschaften keine Mehrbelastung erfahren11.
1 Mit der Säule 1 sollen Marktstaaten einen höheren Anteil des Gewinns grosser Unternehmensgruppen besteuern dürfen.
2 MindStV.
3 Qualifying Domestic Minimum Top-up Tax (QDMTT).
4 Der Bundesrat hat an seiner Sitzung am 22. Dezember 2023 beschlossen, vorerst auf die Einführung der Internationalen Ergänzungssteuer (Income Inclusion Rule und Undertaxed Payments Rule (UTPR) zu verzichten.
5 Vgl. Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens vom 24. Mai 2023, S. 6.
6 Effective Tax Rate (ETR).
7 Sog. länderweises Blending (jurisdictional blending).
8 Sog. One-Stop-Shop; Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens vom 24. Mai 2023, S.7.
9 Somit entfällt die Notwendigkeit der Erhebung der Ergänzungssteuer.
10 Vgl. https://sh.ch/CMS/Webseite/Kanton-Schaffhausen/Behrde/Regierung/Staatskanzlei-13281895-DE.html [abgerufen am 19.9.2023]; in Kraft per 1. Januar 2024.
11 Gemäss Bericht und Antrag des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen an den Kantonsrat betreffend Teilrevision des Steuergesetzes
(Sofortmassnahmen Mindestbesteuerung) vom 8. August 2023, S. 5, sollen damit 98.5 % der im Kanton Schaffhausen ansässigen juristischen Personen aufgrund des mehrstufigen Gewinnsteuertarifs nicht stärker belastet werden.
12 Diese Steuersatzsenkung wurde bereits im Zuge der Umsetzung der STAF-Vorlage beschlossen (gemäss Bericht und Antrag des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen an den Kantonsrat betreffend Teilrevision des Steuergesetzes (Sofortmassnahmen Mindestbesteuerung) vom 8. August 2023, S. 10).
1 Im ersten Jahr nach Inkrafttreten der Änderung beträgt der Gewinnsteuersatz der Kapitalgesellschaften und Genossenschaften für die Kantons- und Gemeindesteuern:
3,95 Prozent auf den ersten 5 Mio. CHF des Reingewinns;
5,30 Prozent auf den weiteren 10 Mio. CHF des Reingewinns.
Für Reingewinne über 15 Mio. CHF beträgt der Steuersatz einheitlich 4,85 Prozent.
1Der Gewinnsteuersatz der Kapitalgesellschaften und Genossenschaften für die Kantons- und Gemeindesteuern beträgt:
2,7 Prozent auf den ersten 5 Mio. CHF des Reingewinns;
5,925 Prozent auf den weiteren 10 Mio. CHF des Reingewinns.
Für Reingewinne über 15 Mio. CHF beträgt der Steuersatz einheitlich 4,85 Prozent. Die Steuerbelastung der Direkten Bundessteuer verbleibt bei 8.5 % linear.
Somit liegt die effektive Steuerbelastung (nach Abzug des
Steueraufwandes) bei Gewinnen von über 15 Mio. Franken
bei 15.05 %.
Bundesgerichtsurteil 9C_677/2021 vomFebruar 2023 (BGE 149 II 27ff.): Praxisänderung in Bezug auf die Abzugsfähigkeit von Unterhaltskosten bei Sanierungen von Liegenschaften
Das Bundesgericht hat mit seinem Leiturteil13 vom Februar 2023 seine Praxis bezüglich des sog. wirtschaftlichen Neubaus geändert. Bis anhin wurden die Kosten, welche bei umfassenden Sanierungen, Umbauten oder Erweiterungen von Liegenschaften im Privatvermögen angefallen sind, nicht zum Abzug zugelassen. Dies mit der Begründung, dass wirtschaftlich betrachtet ein Neubau bzw. Teilneubau vorliegt und die Investitionen somit Anlagekosten darstellen.
Das Bundesgericht kam zu dem Schluss, dass die Praxis
zum wirtschaftlichen Neubau nicht aufrechterhalten werden kann, da der Gesetzgeber die wirtschaftliche Betrachtungsweise zugunsten einer objekttechnischen Betrachtungsweise ändern wollte14.
Das Gericht stellte fest, dass für alle Arbeiten an einer (neu erworbenen) Liegenschaft individuell geprüft werden muss, ob sie darauf abzielen, den früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen und somit werterhaltend sind.
Die Beurteilung, ob eine steuerlich abziehbare werterhaltende Investition vorliegt, erfolgt somit nach objekttechnischen Kriterien. Es muss einzelfallbezogen, z.B. anhand der Bauabrechnung, geprüft werden, ob die instand gehaltene oder ersetzte Installation funktional betrachtet zu einer qualitativen Verbesserung führt.
Aufgrund der Beweislastverteilung im Steuerrecht ist es wichtig, dass man gut dokumentiert ist. Dabei helfen z.B. Fotos, welche den Sachverhalt vor dem Umbau dokumentieren. Immer dann, wenn darauf ersichtlich bzw. nachgewiesen ist, dass sanierungsbedürftige Installationen oder Gebäudebestandteile ersetzt wurden, kann grundsätzlich von einem werterhaltenden Aufwand ausgegangen werden. Bei der umfassenden Sanierung einer Liegenschaft sind der Zustand und die Ausstattung vor und nach dem Umbau nachzuweisen. Dazu gehören z. B. eine Kopie der Gesamtkostenabrechnung nach Baukostenplan, Kopien der einzelnen Rechnungen, die Kopie des Baugesuchs, des Bauplans, des Baubeschriebs sowie allfällige Vorher/nachher-Fotos15.
13 Publiziert unter BGE 149 II 27ff.; es kann von einem regelrechten «Paukenschlag» gesprochen werden (Stefan Oesterhelt/Andrea Opel, Aus der Rechtsprechung, Rechtsprechung im Steuerrecht, Jahr 2023/2, FStR 2023/2, S. 155).
14 Mit Abschaffung der sog. «Dumont-Praxis» per 1. Januar 2010 wurde Art. 32 Abs. 2 DBG dahingehend angepasst, dass auch bei neu erworbenen Liegenschaften die Kosten der Instandstellung einkommensmindernd berücksichtigt werden können (vgl. Sirgit Meier/Jennifer Herren, Kosten bei Sanierung einer Wohnliegenschaft, StR 9/2023, S. 661; Martin Kocher/Diego Anzante, Von «Dumont» zum wirtschaftlichen Neubau, StR 10/2020, S. 722).
15 Vgl. Sirgit Meier/Jennifer Herren, Kosten bei Sanierung einer Wohnliegenschaft, StR 9/2023, S. 664f.