In der Regel sind Unkenntnis und Unwissenheit bezüglich Lohnfortzahlungspflicht sowohl bei Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer gross. Diese Unwissenheit kann sehr schnell zu Missverständnissen führen, denn in den wenigsten Fällen ist man sich über die gesetzlichen Bestimmungen im Klaren.
Die Dauer des Lohnanspruches bei Krankheit hängt von der Anstellungsdauer ab. OR 324a hält fest, dass der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn während drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit weiterhin entrichten muss.
Die «angemessene längere Zeit» wurde von den Gerichten klar definiert und richtet sich anhand der verschiedenen Skalen (Zürcher, Basler, Berner Skala) Diese Skalen sehen Abstufungen vor, je nach Dauer des Dienstverhältnisses.
Mit Krankentaggeldversicherung
Das Gesetzt schreibt dem Arbeitgeber nicht vor eine Krankentagegeldversicherung abzuschliessen, jedoch wird es zum Vorteil beider Vertragsparteien häufig vorgesehen. Die meisten Versicherungen decken einen Anspruch auf 80% des Lohnes während 720 oder 730 Tagen innert 900 Tagen. Jedoch sind die Versicherungspolicen und die Allg. Versicherungsbedingungen massgebend. Die dem Arbeitgeber vom Gesetz auferlegte Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfall ist damit abgegolten.
Viele Versicherungslösungen sehen eine Wartefrist von 30 Tagen vor. Während dieser Wartefrist präsentiert sich die Situation, als würde keine Krankentaggeldversicherung bestehen.
Ohne Krankentaggeldversicherung
In diesem Fall gilt die Regelung gemäss OR Art. 324a Abs. 2. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer im Krankheitsfall den vollen Lohn für eine bestimmte Dauer pro Dienstjahr bezahlen, sofern das Arbeitsverhältnis bereits mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen wurde. Es kann auch eine längere Lohnfortzahlungspflicht im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Die Lohnfortzahlung darf jedoch nicht vertraglich wegbedungen werden. Lohnfortzahlung umfasst nicht nur das Fixum, sondern auch alle weiteren Lohnbestandteile, sofern diese ohne Arbeitsunfähigkeit angefallen wären.
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung wird pro Dienstjahr berechnet und beginnt in jedem Dienstjahr von vorne. Mehrere Absenzen im gleichen Jahr werden zusammengezählt.
Die Wartefrist oder Wartezeit beträgt gem. Unfallversicherungsgesetz zwei Tage. Die Lohnfortzahlung beginnt am 3. Tag, denn der Unfalltag wird als Arbeitstag angeschaut. Der Arbeitgeber hat für diese Wartezeit demnach den Lohn (80%) von zwei Tagen zu entrichten.
Das Taggeld und die Lohnabrechnung
Die Taggelder, welche der Arbeitgeber ausrichtet, gelten normal als AHV-pflichtiger Lohn und darauf werden die Sozialleistungen abgerechnet. Die Taggelder, welche die Versicherung auszahlt, werden nicht mit den Sozialversicherungen abgerechnet und gelten nicht als AHV-pflichtiger Lohn.
Das bedeutet folgendes: Sollten die Taggelder der Versicherung nachträglich durch den Arbeitgeber ausbezahlt, resp. auf der Lohnabrechnung abgerechnet werden, müssen die entsprechenden Sozialleistungen korrigiert werden.
Informationspflicht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber sollte den Arbeitnehmer über die Lohnfortzahlungen informieren, damit Unstimmigkeiten oder Missverständnisse gar nicht erst auftauchen. Zu berücksichtigen ist auch noch, dass der Arbeitnehmer in keinen Fall mehr als 100% des Lohnes versichern resp. Leistungen erhalten kann.
Der maximal versicherbare Lohn beträgt zum jetzigen Zeitpunkt CHF 126’000. Sollte der Lohn höher sein, so kann dieser zwar versichert werden, benötigt aber eine spezielle Versicherung (UVGZ).
Besonderheiten während Arbeitsunfähigkeit
Der Arbeitnehmer darf nicht arbeiten, sofern ein Arztzeugnis mit einer vollen Arbeitsunfähigkeit vorhanden ist. In gewissen Fällen können Taggelder zurückgefordert werden und im schlimmsten Fall kann es zu einer Strafanzeige führen. Auch kann der Arbeitgeber während dieser Zeit nicht kündigen, vorbehalten bleiben die entsprechenden Sperrfristen und die spezielle Regelung in der Probezeit.
Gemäss OR 329b kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unter gewissen Bedingungen die Ferien kürzen. Der Arbeitnehmer hat gemäss OR eine Schonfrist von 30 Tagen, während der keine Kürzung der Ferien gemacht werden darf. Wird diese Schonfrist überschritten, so kann der Ferienanspruch um ein Zwölftel und mit jedem weiteren vollen Monat Arbeitsverhinderung um einen weiteren Zwölftel gekürzt werden. Angebrochene Monate der Verhinderung bleiben für die Kürzung unberücksichtigt. Die Ferien dürfen grundsätzlich für jeden vollen Monat gekürzt werden, in dem der Arbeitnehmer in einem Dienstjahr an der Arbeit insgesamt verhindert ist. Das bedeutet, dass mehrere Absenzen innerhalb der 12 Monate ab dem ersten Abwesenheitstag zusammengerechnet werden dürfen, auch wenn das Arbeitsverhältnis im Verlaufe eines Dienstjahres zu Ende geht.
Bei teilweiser Verhinderung werden die Schonfristen entsprechend verlängert. Eine Kürzung der Ferien ist erst dann zulässig, wenn die aufgerechneten Zeiten mit teilweiser Abwesenheit von der Arbeit jeweils einem vollen Monat vollständiger Verhinderung entsprechen. Das würde bei einer hälftigen Arbeitsunfähigkeit bedeuten, dass sich die Schonfrist verdoppelt. Die Kürzung des Ferienanspruches tritt dann erst nach 4 Monaten ein, weil erst dann ein ganzer zweiter Monat Arbeitsleistung ausgefallen ist.
Der Arbeitnehmer ist immer in der Beweispflicht. Er hat auf Verlangen ein Arztzeugnis vorzulegen, aus welchem ersichtlich sein muss, ob er ganz oder teilweise arbeitsunfähig ist.
Grundsätzlich werden Arztzeugnisse ab dem 3. oder 4. Tag verlangt, der Arbeitgeber kann dies aber auch bereits ab dem 1. Tag verlangen. Bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit hat der Arbeitnehmer die Pflicht, unaufgefordert periodisch neue Arztzeugnisse einzureichen.
OR Art 329b Abs 1:
Ist der Arbeitnehmer durch sein Verschulden während eines Dienstjahres insgesamt um mehr als einen Monat an der Arbeitsleistung verhindert, so kann der Arbeitgeber die Ferien für jeden vollen Monat der Verhinderung um einen Zwölftel kürzen.
OR Art 329b Abs 2:
Beträgt die Verhinderung insgesamt nicht mehr als einen Monat im Dienstjahr und ist sie durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Jugendurlaub) ohne Verschulden des Arbeitnehmers verursacht, so dürfen die Ferien vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden.
OR Art 329b Abs 3:
Die Ferien dürfen vom Arbeitgeber auch nicht gekürzt werden, wenn eine Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft bis zu zwei Monaten an der Arbeitsleistung verhindert ist oder weil sie die Mutterschaftsentschädigung im Sinne des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. Sept. 1952 bezogen hat.
OR Art 329b Abs 4:
Durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den Absätzen 2 und 3 abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer im Ganzen mindestens gleichwertig ist.